Vom Rallyepiloten zum Fahrrad-Designer: United Cruiser-Gründer Renaud Poutot im Interview
Renaud Poutot ist ein echtes Multitalent: Erst BMX-Biker, dann professioneller Rallyefahrer und schließlich Firmengründer. Mit seinem Unternehmen United Cruiser entwirft und baut der 47-jährige im französischen Valence hochwertige Designer-Räder. Jetzt möchte er auch in Deutschland durchstarten. Mit Pendix, dem Marktführer für E-Bike-Nachrüstsätze, hat er dafür bereits einen Partner gefunden, um seine Fahrräder zu elektrifizieren. Warum er so spezielle Räder baut, und was E.T., Walt Disney und Jules Verne damit zu tun haben, verrät er in unserem Interview.
Du hattest ja schon einige interessante Karrierestationen. Wie kam es dazu?
Eigentlich eher zufällig. Wenn mich das jemand fragt, antworte ich immer: Mein Weg ist echt seltsam und dazu noch ungewöhnlich. Geschwindigkeit war schon immer mein Ding, deswegen wurde ich mit 20 Jahren professioneller Rallyefahrer und trat in verschiedenen Klassen an. Nach meiner aktiven Karriere blieb ich der Autowelt treu und arbeitete als Journalist, Testfahrer, Rallye-Coach und Teammanager. Hin und wieder habe ich auch später noch an Rennen teilgenommen. Das war wirklich eine schöne Zeit, in der ich einiges erlebt habe, das würde aber den Rahmen dieses Interviews sprengen (lacht).
Was waren deine größten Erfolge im Rallyesport?
1993 wurde ich in Italien Europameister bei der Fiat Cinquecento-Challenge im Einzelfahren. Im selben Jahr habe ich meinen ersten Vertrag als Profi-Fahrer unterschrieben und wurde von der Branche in Frankreich zum Newcomer des Jahres gewählt. Bei der Rallye Monte Carlo stand ich in den Kategorien GrN und WRC3 mehrmals auf dem Treppchen. Das sind alles Momente, an die ich mich sehr gerne erinnere.
Und wie bist du dann bei den Zweirädern gelandet?
Da bin ich im Grunde wieder bei meinen Wurzeln angekommen. Ich gehöre zu der Generation, die mit E.T. aufgewachsen ist. Die Szenen, in denen die Jungs mit E.T. auf ihren Rädern vor den Agenten flüchten, haben mich unheimlich beeindruckt. Das mit dem Fliegen ist zwar so eine Sache, aber so eine Action wollte ich auch mal erleben. Also fing ich mit dem Fahren von BMX-Rädern an und nahm an Turnieren teil. Ich war wirklich verrückt – immer furchtlos, kein Sprung war zu gefährlich. Genau das setzte sich dann in den Auto-Rallyes fort, da gab ich auch immer 110 Prozent. Minimum. Abteilung Attacke würde Uli Hoeneß sagen. Nach meiner Rallyezeit arbeitete ich dann ab 2003 als Vertriebspartner bei der Electra Bicycle Company. Und 2007 habe ich schließlich mein eigenes Unternehmen, United Cruiser, gegründet.
Das klingt nach einem gewagten Schritt. Was war deine Vision für United Cruiser?
Gewagt war es wirklich. Wir starteten ohne größere Erfahrung, ohne Infrastruktur, ohne Ahnung von Produktion oder Design. Wir haben uns dann alles mit der Zeit selbst beigebracht – Partner finden, die Lieferungen organisieren und auch das Zeichnen. Meine Herangehensweise war wieder mal untypisch, aber ich gehe Dinge gerne anders als andere an. Ich wollte Fahrräder für Träumer bauen, denn schließlich bin ich selbst einer. Ich bin ein großer Bewunderer von Walt Disney und Jules Verne, die mit ihren Werken ganz neue Welten erschaffen haben. Auch auf meinen Reisen in die USA sammle ich immer wieder Inspiration an Farben und Formen. Mit diesen Einflüssen mache ich mich an die Arbeit und designe unsere Räder.
Ihr entwickelt ja wirklich sehr auffällige Räder in knalligen Farben. Für wen eignen sie sich besonders?
Mit unseren Rädern wollen wir möglichst viele Menschen erreichen, sie sind für jedermann und für jede Situation geeignet. Wir haben nicht nur Cityräder und Mountainbikes im Angebot, sondern auch Tandems und Kinderräder in verschiedenen Größen. Bei der Entwicklung legen wir großen Wert auf die Formen. Unsere Fahrräder sollen nicht nur cool aussehen, sondern sie sollten auch technisch effizient und ausbalanciert sein. Schöne Dinge zu entwerfen, ist aus meiner Sicht auch immer ein Indiz für Verlässlichkeit. Da zählt jedes Detail, jede Form hat einen Sinn. Gleichzeitig ist es auch ein Zeichen für unsere Kunden, dass wir mit Leidenschaft kreierte Qualität bieten. Und die bunten Farben sind einfach mein persönlicher Touch. Ich denke immer positiv. Das Leben ist nicht nur schwarz und weiß, sondern es sollte bunt sein. Diese Einstellung übertrage ich auch auf unsere Fahrräder.
Stichwort Jedermann: United Cruiser sitzt ja im französischen Valence. Wie wollt Ihr den deutschen Markt erobern?
Valence ist wirklich ein toller Ort, ich kann mir keinen besseren Platz für unsere Arbeit vorstellen. Überall um uns herum gibt es wunderschöne Strecken, auf denen ich mit dem Rad unterwegs bin. Wir sind aber natürlich nicht nur auf den französischen Markt fokussiert. Unsere Räder sind auch in Deutschland erhältlich, allerdings noch nicht in dem Umfang, wie ich es mir wünsche. Es würde mich wirklich stolz machen, wenn es United Cruiser in jedem Fahrradgeschäft in Deutschland gäbe. Durch die Kooperation mit Pendix haben wir einen ersten Schritt unternommen, um auch in Deutschland präsenter zu werden.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Pendix?
Als ich zum ersten Mal einen Pendix-Antrieb sah, hat er mich sehr an die Bauteile während meiner Zeit als Rennfahrer erinnert: Robust, zuverlässig, clever designt und konstruiert. Als ich mich mit Geschäftsführer Thomas Herzog traf, hat dies meinen Eindruck bestätigt. Pendix ist ein verlässlicher Partner, mit dem wir gerne zusammenarbeiten. Vor allem bietet uns die Qualität und Flexibilität noch mehr Möglichkeiten für unsere Räder und letztlich auch für unsere Kunden. Inzwischen verkaufen wir bereits rund 70 Prozent unserer Fahrräder in der elektrischen Variante – den Pendix-Antrieb bieten wir natürlich auch in mehr Farben als dem klassischen Schwarz an. Meines Erachtens erreichen wir damit in Deutschland mehr Kunden als bei uns in Frankreich.
Tatsächlich? Was sind denn Unterschiede zwischen den Radlern in Frankreich und Deutschland?
Da liegen zum Teil Welten dazwischen. Der Fahrradmarkt in Frankreich ist ziemlich enttäuschend – zumindest im Vergleich mit Deutschland oder den USA. Dort gibt es eine ganz andere Einstellung zur Mobilität und zum Radfahren. Vielen Franzosen geht es nur um Geschwindigkeit und Performance. Als würden sie jeden Tag ein Rennen fahren – dabei ist die Tour de France doch nur einmal im Jahr (lacht). Deutsche dagegen machen sich viel mehr Gedanken um den täglichen Nutzen. Kommen sie mit dem Rad zuverlässig zur Arbeit, zum Einkaufen oder können sie am Wochenende einen Familienausflug damit unternehmen? Diese Einstellung gefällt mir wirklich gut.
Und gibt es auch Dinge, die dich in der Fahrradwelt stören?
Es stört mich, dass viele Leute die Welt zu negativ sehen. Jede Kleinigkeit wird gleich zum Problem Das betrifft zwar auch andere Bereiche, aber bei Gesprächen mit Kollegen aus der Fahrradbranche merke ich das besonders. Oft wird das Fahrrad mit ‚Öko‘ gleichgesetzt. Dabei ist das Fahrrad in jeder Hinsicht, in allen Gesellschaftsschichten auf dem Vormarsch, da sollten wir groß denken und uns nicht ständig über jede Bagatelle beschweren.
Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Insgesamt bin ich mit der Entwicklung von United Cruiser schon sehr zufrieden. Mit jedem Rad verwirklichen wir unseren Traum und erleben auch nebenbei tolle Geschichten. Zum Beispiel haben wir 2012 und 2018 zusammen mit Canal+ und dem Hotel Martinez das Filmfestival von Cannes ausgerichtet und sogar einen Kurzfilm über unser Unternehmen gedreht. In Zukunft möchte ich vor allem fröhlich bleiben und mit unserem Team neue Räder entwickeln, mit denen wir unsere Kunden immer wieder überraschen können. Wir sind zuversichtlich, dass wir immer mehr Menschen in Deutschland von unseren Rädern überzeugen können. Wir glauben, dort gibt es viele, die unsere Vision teilen. Die Corona-Krise hat natürlich auch bei uns ihre Spuren hinterlassen, auch wenn das Interesse an Fahrrädern stieg. Jetzt ist es aber an der Zeit, nach vorne zu schauen.